Wer ist Joest?

Die Person

Wilhelm Joest (1852-1897) war ein deutscher Ethnologe, Sammler, Autor und Forschungsreisender. Seine Privatsammlung bildete den Grundstock des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums; 1901 gegründet von seiner Schwester Adele Rautenstrauch.

Das Forschungsprojekt

Wie könnte Provenienzforschung aussehen, die nicht nur danach fragt, wie Objekte nach Europa gelangten, sondern auch warum? Dieser Überlegung geht dieses Forschungsprojekt nach – mithilfe des umfangreichen Nachlasses des Kölner Ethnologen Wilhelm Joest.

So beschreibt Joest etwa sein oft widersprüchliches Verhältnis zu den von ihm gesammelten Objekten immer wieder in seinen Tagebüchern; ca. 5000 jener Ethnographika befinden sich heute in verschiedenen europäischen Museen.

Zwischen Sehnsucht, Verlangen und Abscheu offenbart sich eine Beziehung zwischen Sammler, creator communities und Objekten, die jenseits von rein wissenschaftlichen oder ästhetischen Überlegungen auf die zutiefst emotionale Bedeutung des Sammelns in der Kolonialzeit hindeutet. Joests widersprüchliches und oft gewaltvolles Leben und Forschen verdeutlicht die komplexe Funktionsweise kolonialer Herrschaft.

Inspiriert von den theoretischen Überlegungen der Anthropologin Ann Stoler zu „colonial intimacies“ entsteht in diesem Projekt ein Ansatz, um diese zwiespältigen Intimitäten kolonialen Sammelns sichtbar zu machen. Mit dieser erweiterten Provenienz-Perspektive geraten neben der materiellen Historie eines Objekts auch die sammelnden Akteure in den Fokus: Sie erlaubt, die emotionale Verwobenheit der Objekte in der kolonialzeitlichen Gesellschaftsordnung deutlich zu machen und neben der Restitution weitere Möglichkeiten kuratorischer und künstlerischer Intervention für die Dekolonisierung ethnographischer Sammlungen aufzuzeigen.

Die Bücher

Anne Haeming: “Der gesammelte Joest. Biografie eines Ethnografen”, Matthes & Seitz Frühjahr 2023.

Carl Deußen, Anne Haeming (Hgg.): “Von Santa Cruz nach Indien durch die Ethnologie. Fragmente des Forschungsreisenden Wilhelm Joest”, Matthes & Seitz Frühjahr 2023.

Weitere Publikationen

Deußen, Carl: “‘To Give Away My Collection for Free Would Be Nonsense’. Decorations and the Emergence of Ethnology in Imperial Germany”, in: Jallo Zainabu (Hrsg.): Material Culture in Transit. Theory and Practice, Routledge 2023.

Deußen, Carl: “Collecting Masculinities: Wilhelm Joest and the Masculinity of the Other”, in: Carl Deußen and Mary Mbewe (Hgg.): The Gender of Ethnographic Collecting, boasblogs.org 2022.

Deußen, Carl: “Von Neugier getrieben. Sammelleidenschaft im 19. Jahrhundert”, in: Stadt Köln (Hrsg.): museenkoeln. Das Magazin 2 (2021), 70-71. 

Mohr, Sonja, Annabelle Springer, Caroline Bräuer, Carl Deußen: “Museen als Verhandlungsorte für Dekolonisierungsprozesse”, in: Südostasien. Zeitschrift für Politik, Kultur, Dialog 3 (2021). 

Deußen, Carl: “Colonial Collectors and Their Legacy. Why Asking ‘Why?’ matters”, in: DCNtR, boasblogs.org 2019.

 

Projekt: Wilhelm Joest and the Intimacies of Colonial Collecting

Laufzeit: 2019-2023

Projektförderung: Fritz Thyssen Stiftung, Museumsgesellschaft RJM e.V.

Kooperation: University of Amsterdam – School of Historical Studies

Projektmitarbeiter*innen:

Carl Deußen
Dr. Anne Haeming