ab 3. Dezember 2021

COUNTER IMAGES | GEGENBILDER

Prolog

Fast 200 Jahre nach ihrer Erfindung ist die Fotografie zu einem globalen Medium geworden. Noch nie waren so viele Bilder im Umlauf und zu keiner Zeit wurden tagtäglich so viele Bilder produziert und in Umlauf gebracht wie heute. Auf ganz andere Weise global war die Fotografie von Anfang an, denn das damals neue Medium war unter anderem eng mit dem Kolonialismus verknüpft. Mit dem Anspruch von Authentizität und Objektivität schufen Fotograf*innen Bilder von Menschen, Gegenständen und Landschaften weltweit. Oftmals wurden Porträts erschaffen, um Menschen anhand äußerer Merkmale im Namen einer sog. rassenanthropologischen Wissenschaft zu kategorisieren. So trugen sie wesentlich zur Bildung noch heute wirksamer Stereotype bei.

Mit dem Ausstellungsformat „Gegenbilder | Counter Images“ bietet das Rautenstrauch-Joest-Museum eine Plattform für historische wie zeitgenössische Gegenpositionen zu etablierten Darstellungsweisen „der Anderen“: für Bilder, die damals oder heute verdrängt oder nicht gezeigt wurden. Und für Bilder, die in Form und Inhalt die historischen Fotografien in Frage stellen, ihnen widersprechen oder das Medium selbst reflektieren.

Die Auftaktausstellung „Prolog“ beschreibt den großen Rahmen der Möglichkeiten für die Reihe, die mit einer Intervention in der Dauerausstellung startet.  Für das Projekt arbeitet das RJM mit internationalen und mit in Köln ansässigen Kurator*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen zusammen.

Die Reihe Gegenbilder | Counter Images wird von einem vielfältigen Rahmenprogramm rund um das Thema fotografische Bilder und visuelle Archive für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche begleitet. Über die genauen Inhalte und Termine informiert ab Anfang November 2021 die Website des RJMs.

Das Projekt ist gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

Gastkuratorin
Sandrine Colard

Gruppe
informelle Kurator*innen

Beteiligte Künstler*innen
Kiri Dalena mit Lizza May David und Jaclyn Reyes, Tuli Mekondjo, Mo Laudi, Yasmine Eid-Sabbagh und informelle Kurator*innen des RJM

Idee und Konzept
Nanette Snoep, Direktorin RJM, und Lucia Halder, Kuratorin Fotografische Sammlung, Caroline Bräuer, Kuratorin Fotografische Sammlung

Projektleitung
Caroline Bräuer

Ausstellungsgestaltung
Lisa Baumgarten und Martha Schwindling

Ausstellungsgrafik
Lisa Baumgarten

 

Biographien

Gastkuratorin

Sandrine Colard

Sandrine Colard ist Assistenzprofessorin für Kunstgeschichte an der Rutgers University-Newark (USA) und unabhängige Kuratorin mit Sitz in New York City und Brüssel. Colard promovierte an der Columbia University (2016) und ist Historikerin für moderne und zeitgenössische afrikanische Kunst und Fotografie. Zu ihren jüngsten Ausstellungen gehören Multiple Transmissions: Art in the Afropolitan Age (Wiels, Brüssel, 2019); The Way She Looks: A History of Female Gazes in African Portraiture. Photographs from The Walther Collection (Ryerson Image Center, Toronto, 2019); Congoville (Middelheim Museum, Antwerpen, 2020). Colard kuratierte die 6. Lubumbashi-Ausstellung. Ihre Forschung wurde durch zahlreiche Stipendien unterstützt (Museum Quai Branly, Ford Foundation,...).

Für ihr Buchprojekt über die Geschichte der Fotografie in der Kolonialzeit im Kongo ist sie 2021-2022 Getty/ACLS-Stipendiatin.

Mo Laudi Feature: Helfritz's Wunderkammer: The Ethnographic Gaze and the History of the Cabinet of Curiosities.

Mo Laudis Sound-Installation basiert auf Recherchen zum Leben und Werk des deutschen Komponisten, Musikethnologen und "Forschungs"-Fotografen Hans Helfritz (1902-1995), der dem RJM rund 80.000 Fotografien. Mo Laudi (Ntshepe Tsekere Bopape) ist ein multidisziplinärer Künstler, Komponist, DJ, Forschungsstipendiat der Universität Stellenbosch und der erste schwarze Kurator Südafrikas, der eine Gruppenausstellung in Paris kuratiert hat. Er ist bekannt für seine Globalisto-Philosophie und als Pionier der afro-elektronischen Musik. Seine künstlerische Praxis umfasst Experimente mit Sound als Material, Klanglandschaften, die Gesang, Texturen und Rhythmen als soziopolitische Kritik an der Gesellschaft mischen. Inspiriert von afrikanischem Systemwissen, Post-Apartheid-Übergangstendenzen, internationalen und Underground-Subkulturen, finden seine Recherchen auch in den Medien Malerei, Collage, Skulptur, Installation und Video ihren Ausdruck.

Tuli Mekondjo

Die autodidaktische Künstlerin Tuli Mekondjo arbeitet mit gemischten Medien (Stickerei, Collage, Farbe, Harz und Mahangu-Getreide - ein namibisches Grundnahrungsmittel). Auf der Grundlage von Fotoarchiven und der Geschichte des Verlusts und der Auslöschung namibischer kultureller Praktiken erforscht sie Geschichte und Identitätspolitik durch die Brille derjenigen, die während des namibischen Unabhängigkeitskriegs im Exil lebten. Empfindsame botanische Ranken sind eine Hommage an ihre Vorfahren, an Fruchtbarkeit und Kontinuität, während verschleierte Figuren geschlechtsspezifische Kämpfe, generationenübergreifende Traumata und Vertreibung kommentieren und von stiller Trauer und der Suche nach Wahrheit getragen werden.

Informelle Kurator*innen des RJM

Die informellen Kurator*innen des RJM haben im Februar 2021 einen Austausch über die Besitzverhältnisse des Fotoarchivs des Rautenstrauch-Joest-Museums und den Umgang mit 

gewaltvollen und ausbeuterischen Bildern begonnen. Zentrales Anliegen der Gruppe war und ist die Suche nach einer Mitsprache, nach Deutungsmacht und Interventionsmöglichkeiten im Bezug auf dieses visuelle Kolonialerbe im Kontext des Museums und der Stadt Köln.

Die Gruppe, die sich aus Aktivist*innen, Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Forscher*innen und Kulturarbeiter*innen zusammensetzt, diskutiert verschiedene Fragen, die sich aus der Begegnung mit der Sammlung ergeben – und auch aus den Beziehungen zu der Institution, die sie beherbergt. Irritationen, Enttäuschungen, Wut, Fantasie und immer mehr Fragen nach einem „Ausgestelltsein“ und Ausstellen prägen ihren Austausch.

 

Künstlerin

Kiri Dalena

Kiri Dalena ist bildende Künstlerin und Filmemacherin. Dalena ist für ihre künstlerische Arbeit bekannt, in der sie soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten insbesondere auf den Philippinen aufdeckt. Ihr aktives Engagement für die Wahrung von Menschenrechten inmitten staatlicher Verfolgung ist die Grundlage für ihre künstlerische Praxis, die die Bedeutung von Protest und zivilem Ungehorsam in der heutigen Gesellschaft aufzeigt. Dalena arbeitet sowohl individuell als auch in Kollektiven, wie Southern Tagalog Exposure (aktiv 2001-2008) und RESBAK (Respond and Break the Silence Against the Killings, 2016-present). Sie studierte Humanökologie an der University of the Philippines Los Baños und 16-mm-Dokumentarfilm am Mowelfund Film Institute. Seit ihrer Studienzeit engagiert sich Dalena als Aktivistin und ist bis heute Mitglied von KARAPATAN, einem nationalen Zusammenschluss von Menschenrechtsorganisationen, -büros und Einzelanwält*innen.