Die Sammlungen des RJM
Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum ist eines der bedeutenden ethnologischen Museen Deutschlands und das einzige seiner Art in Nordrhein-Westfalen. Die Sammlung beinhaltet ca. 60.000 Objekte und 100.000 historische Fotografien von der Frühzeit der Fotografie bis in die 1980er Jahre.
Anders als in einigen anderen ethnologischen Sammlungen, stammen die Bestände des RJM nicht zu einem großen Teil aus Expeditionen oder Sammlungsreisen.Vielmehr kamen sie überwiegend als Schenkungen bzw. Nachlässe von Privatpersonen, als von Mäzenen finanzierte Ankäufe, durch das Engagement des im Jahr 1904 gegründeten Fördervereins Museumsgesellschaft RJM e.V. sowie den sogenannten ‚Dublettentausch‘ mit anderen deutschen und europäischen Museen ans Haus. Unter welchen Umständen die Objekte wann und von wem an ihren Herkunftsorten erworben wurden, ist in vielen Fällen unklar. Die Erschließung und Offenlegung der Objektprovenienzen ist dem RJM ein großes Anliegen, dem sich aktuell mehrere Forschungsprojekte widmen.
Erste digitale Zugriffe auf die Sammlungen
Die Sammlungen des RJM wurden seit Ende der 1990er-Jahre sukzessive elektronisch in einer Access-basierten Datenbank erfasst. Im Rahmen der durch den Museums- und Sammlungsumzug ermöglichten Neueinrichtung der Depots in den Jahren 2010–2017 wurden alle Objekte fotografiert und nachfolgend die Fotosammlung digitalisiert. Seit der Migration der Datensätze in die MuseumPlus-Verbunddatenbank der Stadt Köln im Herbst 2020 werden diese bereinigt, Thesauri entwickelt und fehlende Daten – sofern verfügbar – ergänzt. Aktuell ist das Museum in der Lage, eingehende Anfragen zu konkreten Sammlungsbeständen zu beantworten. In zunehmendem Maße nimmt das Museum an internationalen Bestandserhebungen und bedingt auch an Provenienzforschungsprojekten teil, etwa Africa Accessioned (Botsuana u. Namibia), Digital Benin, Invisible International Programme Kenya, Philippine Material Culture in Europe, Japanisch Buddhistische Kunstsammlungen in Europa oder Return of Cultural Heritage (AIATSIS). Derzeit arbeitet die Stadt Köln an den technischen Voraussetzungen und einer IT-Infrastruktur, die 2022 – so der Plan – eine Online-Stellung unserer Daten ermöglicht.
Erste projektbezogene digitale Sammlungsübersichten sind im Forschungsbereich abrufbar und werden fortwährend aktualisiert. Bitte wenden Sie sich bei Fragen an: rjm-doku@stadt-koeln.de.
Etwa 450 Objekte wurden um 2010 in die vom Rheinischen Bildarchiv Köln (RBA) gehostete Bild-Datenbank „Kulturelles Erbe Köln“ eingespielt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Informationstand der entsprechenden Bilddateien möglicherweise veraltet ist und dass das RJM nicht Urheber dieser Datensätze ist. Rückfragen hierzu beantwortet das RBA: rba@rbakoeln.de
Das RJM nimmt am Pilotprojekt der von der Kultustiftung der Länder finanzierten Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland teil.
Vorbemerkungen zu den digitalisierten Inventarbüchern:
Es ist uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass die historische Dokumentation von Museumsobjekten rassistische und anderweitig diskriminierende Begriffe sowie falsche regionale, ethnische und sprachliche Zuschreibungen enthalten. Es handelt sich dabei um zeitgenössische Sichtweisen, die wir zwar nicht reproduzieren möchten, aber es trotzdem für wichtig halten, diese Quellen für Interessierte und für die Forschung zugänglich zu machen. Das Rautenstrauch-Joest-Museum distanziert sich von diesem Sprachgebrauch und den tendenziösen Zuschreibungen und setzt sich für eine kritische Auseinandersetzung damit ein.
Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch den "Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten" des Deutschen Museumsbundes. Beachten Sie ebenfalls die Broschüre „Rassistische und stereotypische Objektbezeichnungen im ethnologischen Museum“
Wir stellen Ihnen die digitalisierten Hauptbücher bis etwa 1960 hier zur Verfügung. Bitte beachten Sie untenstehende Hinweise zum vertiefenden Verständnis der sich komplettierenden Dokumentationsebenen. Weitere Archivalien werden sukzessive ergänzt und somit weitere Recherchen ermöglicht.
Afrika
Die Sammlungen vom afrikanischen Kontinent umfassen rund 15.365 Dinge (Stand: Juni 2023). Geografische Schwerpunkte bilden neben der Demokratischen Republik Kongo die Gebiete der ehemaligen deutschen Kolonien – vor allem die heutigen Staaten Kamerun, Tansania, Togo und Namibia. Entsprechend den Interessen von Sammler*innen während der Kolonialzeit machen neben Masken und Skulpturen Waffen einen Schwerpunkt des Bestandes aus. Julius Lips, Direktor des RJM von 1928-1934, erwarb zahlreiche so genannte „Europäer*innendarstellungen“, vor allem aus afrikanischen Ländern. 1966 erwarb das Museum die Sammlung des Düsseldorfer Künstlers Klaus Clausmeyer, die unter anderem rund 550 Dinge aus Afrika umfasst. Einen neuen Sammlungsschwerpunkt bilden rund 2.000 Dinge aus Gelbguss der Kapsiki und benachbarter Gruppen (Nordkamerun/Nordostnigeria).
Kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekte:
Forschungsprojekt Invisible Inventories Programme
Abschlussbericht zur Herkunft eines Schädels aus Ostafrika (Nachlass Lothar von Trotha)
Amerikas
Die Amerikas-Sammlung umfasst rund 8.000 Objekte mit Schwerpunkt auf Südamerika. Nord- und Mesoamerika bilden jeweils ca. ein Viertel der Sammlung. Bekannte Sammler*innen südamerikanischer Objekte waren Wilhelm Gretzer und Peter und Irene Ludwig (jeweils altperuanische Objekte) und Alberto Vojtech Fric (Gran Chaco). Auch einige herausragende präkolumbische Textilien gehören dazu. Für den Bereich Mesoamerika sind die Sammlungen Irene und Peter Ludwig (Altamerika) und Gerd und Renate Dörner (mexikanisches Kunsthandwerk) zu erwähnen. Zu den Highlights der Nordamerikasammlung gehören die Nordwestküsten-Sammlung Umlauff und eine von Carl Joest finanzierte Plainssammlung (beide Anfang 20. Jh.).
Asien
Der regionale Schwerpunkt der rund 7.000 Objekte umfassende Asien-Sammlung liegt auf Süd- und Südostasien mit Fokus auf die Thai-, Mon- und Khmer-Kulturen. Neben Objekten der Alltagskultur, Ritualobjekten und Textilien findet sich eine Vielzahl von Stein- und Bronzeskulpturen. Etwa 800 Objekte stammen aus der Sammlung von Wilhelm Joest. Später wurde die Sammlung durch systematische Einkäufe im Handel und Schenkungen von Mäzenen wie Wilhelm Siegel und Irene und Peter Ludwig erweitert. Vom Ethnographica-Händler J.F.G. Umlauff wurden die Sammlungen zu den Kulturen der Ainu aus dem Norden Japans und von singhalesischen Masken erworben. In den 2010ern konnte die Sammlung mit Schenkungen von Ritualgegenständen aus Myanmar ergänzt und mit jenen von indischer Miniaturmalerei und jainistischen Folios ein neuer Schwerpunkt etabliert werden.
Fotografische Sammlung
Die rund 100.000 Objekte starke Fotografische Sammlung umfasst Glasplatten, fotografische Negative und Positive, Dias, Ansichtskarten sowie Alben und Mappenwerke, von den 1860er Jahren bis in die 1980er Jahre. Sie beinhaltet Fotografien von Amateur*innen, Kolonialbeamt*innen, Missionar*innen, Ethnolog*innen und Berufsfotograf*innen. Davon zählen rund 25.000 Fotografien zum historischen Kernbestand, die überwiegend aus Ozeanien, Afrika, den Philippinen und Indonesien stammen. Fast die Hälfte davon geht auf eine Schenkung aus dem Nachlass des Kölner Bürgers Georg Küppers-Loosen (1860–1910) zurück.1995 kamen ca. 80.000 Aufnahmen aus dem Nachlass des bekannten Weltreisenden und Fotografen Hans Helfritz (1902–1995) dazu.
Insulares Südostasien
Die Sammlungen aus dem Insularen Südostasien umfassen etwa 9.000 Inventarnummern von den Andamanen und Nikobaren, aus Indonesien, Malaysia, Ost-Timor, von den Philippinen, aus Singapur und Taiwan. Der Schwerpunkt liegt mit fast 7.000 Inventarnummern auf Indonesien. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Bestände aus dem Osten des Archipels sowie die Textilsammlung. Größtes Objekt ist ein aufwendig beschnitzter Reisspeicher der Sa’dan Toraja von der Insel Sulawesi. 2006 fertigten balinesische Spezialisten einen Stiersarg mit Lotosthron sowie Masken von Barong und Rangda für den Themenparcours an. Ein javanisches Gamelanensemble kann in der Ausstellung unter Anleitung bespielt werden.
Ozeanien
Die rund 18.500 Objekte der Ozeanien-Sammlung stammen aus zahlreichen Inselstaaten des Pazifiks und Australien. Regionale Schwerpunkte bilden Papua-Neuguinea und die Salomonen. Alltagsgegenstände sind ebenso vorhanden wie Ritualobjekte − darunter eine Anzahl hochkarätiger Masken und Skulpturen. Knapp 70 Prozent des heutigen Bestandes wurden bereits vor dem Ersten Weltkrieg, in der Hochphase ethnographischen Sammelns, erworben. Dies geschah teilweise direkt von Personen, die längere Zeit vor Ort gelebt haben, wie der Stationsvorsteher der Neu-Guinea-Kompagnie Paul Lücker und deren Arzt Curt Danneil, die dort gereist sind, etwa Wilhelm Joest oder Georg Küppers-Loosen, oder indirekt über den globalen Kunsthandel.